Hallesches Salinemuseum e.V.

Digitale Sonderausstellung des Hallesches Salinemuseum e.V.
»Das Wasserstechen der Halloren«

Die Ausstellung „Das Wasserstechen der Halloren“ ist als Freiluft-Ausstellung zum Laternenfest 2022 auf der Würfelwiese in Halle (Saale) konzipiert worden. Für all diejenigen, die die Ausstellung zum Laternenfest nicht sehen können, und diejenigen, die sich weitergehend informieren möchten, haben wir eine digitale Version der Ausstellung auf der Homepage des Hallesches Salinemuseum e.V. erstellt. Dies gibt uns zugleich die Möglichkeit, die digitale Ausstellung nicht zeitlich begrenzt mit einem erweiterten Umfang, mit mehr Informationen und Bildern zu zeigen und fortzuschreiben.

Im Verlaufe der Ausstellung erzählen wir nicht nur, woher der Brauch des Wasserstechens stammt, sondern geben einen ausgewählten Überblick über die Fortführung des Brauchs in Deutschland und in einigen europäischen Nachbarländern. Dann wenden wir uns dem Wasserstechen der Halloren als Hauptthema zu und klären die Frage, was die Stadt Halle an der Saale mit dem Laternenfest und den Halloren verbindet und wer die Halloren sind.

Mit dem zentralen Motiv der Ausstellung, dem „Hallorum auf dem Wasser stechend“ (von 1749) sind die wesentlichen Merkmale des „Wasserstechens der Halloren“, welches auch als „Bad der Halloren“ benannt wurde, dargestellt: Zum Wettkampf des Wasserstechens gehören auch das Brückenspringen und das Schwimmen der Halloren im Wasser.


Abbildung 1: „Ein Hallorum auf dem Wasser stechend“, Kupferstich von Gottfried August Gründler, aus: Johann Christoph v. Dreyhaupt: Pagus Neletizi et Nudzici, oder ausführliche diplomatisch-historische Beschreibung des […] Saal-Kreyses und aller darinnen befindlichen Städte,[…]. Bd. 1, Halle 1749

Quelle: Digitales Bildarchiv Hallesches Salinemuseum e.V., Original: Salzwirker-Brüderschaft im Thale zu Halle / Technisches Halloren- und Salinemuseum Halle (Saale)

Die Halloren nennen das Schauspiel „Wasserstechen“

Traditionell wird in Halle an der Saale der Brauch des Wasserstechens von den Halloren gepflegt. Ersterwähnungen dieses Brauches, der auch mit der Bezeichnung „Fischerstechen“ oder „Schifferstechen“ bekannt ist, lassen sich für andere Orte bis ins 15. und 16. Jahrhundert zurückverfolgen. Als Vorbild für diese Wettkämpfe auf dem Wasser gelten die Ritterturniere. Bei diesen Turnieren zählte das Lanzenstechen zu den Hauptprüfungen. Dabei reiten zwei Ritter in Rüstung mit eingelegter Lanze aufeinander zu. Ziel war es, jeweils den anderen Duellanten mit einem Stoß aus dem Sattel zu heben und zu Fall zu bringen. Zu den Ursprungslegenden des Brauchs des Wasserstechens gehört eine Sage aus Ulm, die erzählt, wie zwei Fischer ein solches Turnier nachspielen wollten, in Ermangelung von Pferden aber auf Kähne im Wasser auswichen.


Abbildung 2: Eine authentische mittelalterliche Darstellung eines Ritterturniers findet sich in der Manessischen Liederhandschrift (Große Heidelberger Liederhandschrift), entstanden zwischen 1305 und 1340. Auf Seite fol. 52r ist der Dichter Walter von Klingen im Turnier dargestellt.

Quelle: Wikimedia Commons, The Yorck Project; https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Meister_der_Manessischen_Liederhandschrift_005.jpg?uselang=de

Abbildung 3: Two knights on horseback jousting, lance tips breaking on shields (7th Harcourt Park World Invitational Jousting Tournament, 2013 (Zwei Ritter zu Pferd im Turnier, die Lanzenspitzen brechen an den Schilden.)

Quelle: Wikimedia Commons; https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Knights_jousting,_lance_tips_breaking.jpg

Wohin wir auch sehen, das Grundprinzip des Wettkampfs auf dem Wasser bleibt gleich:

Der ins Wasser Gestoßene ist Verlierer, der Sieger kommt eine Runde weiter. Der Wettkampf endet, bis nur noch ein Stecher als Sieger übrigbleibt, der den ausgelobten Preis gewinnt. Die Ausführung der Stechen und ihre Regeln variieren von Ort zu Ort. Wie viele Ruderer den Kahn bewegen, ob der Stecher vorn oder hinten im Kahn steht, oder sogar auf einem erhöhten Podest, oder auf welche Weise der Stecher die Lanze hält, das ist von Ort zu Ort unterschiedlich. Bevor auf die besondere Tradition des Wasserstechens der Halloren in Halle an der Saale eingegangen wird, werden im Folgenden einige Orte mit ihren eigenen Traditionen zu diesem Brauch des Stechens vorgestellt.

Wasserstechen – ein überregionales Brauchtum in Deutschland

Ursprünglich war der Brauch des Wasserstechens an vielen Orten in Deutschland verbreitet. In Ulm, Bamberg, Nürnberg, Neuburg an der Donau, Frankfurt am Main, am Rhein unter anderem in Worms, und hier in Halle an der Saale, um einige bekanntere Beispiele zu nennen, ist er auch heute noch zu erleben. Insgesamt betrachtet ist der Brauch des Fischer- oder Schifferstechens im süddeutschen Raum stärker ausgeprägt. Die Wettkampfregeln und die Art des Stechens sind von Ort zu Ort unterschiedlich. An manchen Orten sind mit den Stecher-Turnieren noch besondere Feste und Bräuche verbunden.

Einige Beispiele aus Deutschland werden hier vorgestellt.

Ulm

Das Ulmer Fischerstechen ist, neben seiner langen Tradition, auch für seine Besonderheiten bekannt. Das Fischerstechen gehörte bereits im Mittelalter zu den wichtigsten Festen der Stadt Ulm und wird in der Gegenwart als Großveranstaltung nur alle 4 Jahre durchgeführt. Teilnehmen dürfen nur Mitglieder des Schiffervereins von Ulm, dieser besteht aus den Nachfahren der ehemaligen Fischer- und Schifferzunft. Einzigartig ist auch die Aufstellung von festgelegten Wettkampfpaaren, die zum Stechen gegeneinander antreten. Die meisten Paarungen beruhen auf Sagengestalten und historischen Figuren mit Bezug auf Ulm. „Weißfischer“, „Narren“, „Bauer und Bäuerin“, „Ulmer Schneider und Spatz“ sind die bekanntesten Paarungen. Jeweils 3 Ruderer bewegen im Stehen eine „Zille“, so werden Fischerkähne auf der Donau genannt. Der Stecher steht am Heck des Bootes und hält eine 2,80 Meter lange Lanze auf den Paargegner gerichtet. Die Zillen starten jeweils vom entgegengesetzten Ufer der Donau, von Ulm und Neu-Ulm, sodass sich die Stecher in der Flussmitte treffen.


Abbildung 5: Ulmer Fischerstechen 2022
Quelle: Stadtarchiv Ulm, Nadja Wollinsky und Thilo Endres

Bamberg

Einer der ältesten schriftlichen Hinweise auf die Durchführung von Fischerstechen ist von Bamberg überliefert. Dort musste 1498 ein Brückengeländer an der Unterbrücke erneuert werden, welches von der Zuschauermenge eingedrückt worden war. Durch Bamberg fließt in mehreren Armen die Regnitz, die früher auch die Fischer und Schiffer nutzten.

Vor der malerischen Kulisse der Altstadt findet jedes Jahr auf dem Fluss das traditionelle Fischerstechen zur „Sandkerwa“ statt. Die Sandkerwa war ursprünglich das Kirchweihfest der Elisabethkirche im Stadtteil Sand. Die markanteste Besonderheit des Bamberger Stechens besteht darin, dass die Boote nicht direkt aufeinander zusteuern, sondern fast parallel zueinander in die gleiche Richtung fahren, sodass die am Bug der Boote stehenden Stecher die Lanze seitwärts halten müssen, um den Gegner ins Wasser stoßen zu können.


Abbildung 6: Fischerstechen zur Bamberger Sandkerwa 2019.
Quelle: Sonja Seufferth / Stadt Bamberg; Bamberger Sandkerwa Veranstaltungs GmbH


Abbildung 7: Erinnerungszeichen an eine Fischerstecherfamilie in Bamberg.
Foto: Steffen Kohlert

Neuburg an der Donau

Neuburg an der Donau ist nicht nur für sein prächtiges Schloss bekannt, sondern auch für seine Schifferstechen mit überregionaler Beteiligung. Dort treten Stechermannschaften auch aus anderen Orten an, zu Gast sind dann unter anderem Mannschaften aus Österreich, aus der Schweiz, von Frankreich und aus dem bayrischen Umland.


Abbildung 8: Fischerstechen auf der Donau vor dem Residenzschloss von Neuburg. Foto: Bernd Mahler, 2018 (Stadt Neuburg a.d. Donau)

Nürnberg

Nürnberg war einst eine reiche und mächtige Freie Reichstadt. Durch die Stadt fließt, von hohen Mauern eingefasst, die Pegnitz. Alljährlich zum Altstadtfest wird mit einem Fischerstechen an die einstige Bedeutung der Fischerzunft für die Stadt erinnert. Die Stecher stehen auf einer Planke an der Bootsspitze.


Abbildung 9: Nürnberger Fischerstechen 2015.
Quelle: Michael Hagl, Altstadtfest Nürnberg e.V.

Worms

Zu den alten Reichsstädten am Rhein zählt Worms. Die dortige Fischerzunft betrachtet sich als älteste Fischerzunft Deutschlands und feiert alljährlich das sogenannte „Backfischfest“. Die Fischerstechen werden dort seit 7 Jahrzehnten im Floßhafen durchgeführt, da die Durchführung des Stechens auf dem Rhein mit seinen Strömungen und dem regen Schiffsverkehr zu gefährlich geworden ist. Beim Wormser Fischerstechen stehen die Stecher auf Planken, die am Bug der blumengeschmückten Boote befestigt sind.

Fischerstechen am Rhein werden zudem noch beim Rheinischen Fischerfest in Gernsheim und auf französischer Seite in Straßburg (Strasbourg) / Elsass durchgeführt.


Abbildung 10: Fischerstechen zum Backfischfest 2014.
Foto: Michael Debets, Worms

Frankfurt am Main

Auch auf dem Main werden noch Fischerstechen veranstaltet, hier ist an vorderer Stelle Frankfurt am Main zu nennen. Ursprünglich dienten die Fischerstechen dazu, die Reihenfolge der besten Standplätze auf dem Markt zu ermitteln.


Abbildung 11: Fischerstechen zum Frankfurter Mainfest 2018.
Foto: Gerburg Klaehn

 

Würzburg

Auch die Fischerzunft von Würzburg blickt auf eine lange Geschichte zurück, nach ihrer Überlieferung hat sie 2010 das 1000-jährige Bestehen gefeiert. Das Fischerstechen wurde ursprünglich bis zum Dreißigjährigen Krieg (Beginn 1618) jährlich begangen, dann nur noch gelegentlich und nach langer Unterbrechung erst Anfang des 20. Jahrhunderts wiederbelebt - es wird seitdem in unregelmäßigen Abständen nur zu besonderen Anlässen durchgeführt.

Wasserstechen bei unseren europäischen Nachbarn

Außerhalb von Deutschland wird der Brauch des Wasserstechens auch in Österreich, der Schweiz, in Belgien und Frankreich gepflegt. In Frankreich und Belgien werden die Wasserstechen als „Joute nautique“ oder „La joute“ bezeichnet.

Nachfolgend werden einige Beispiele vorgestellt.

Frankreich

In Frankreich wird das Wasserstechen wie eine Sportart betrieben. Es gibt mehrere regionale Verbände, die einerseits Interessenvertretungen der einzelnen Orte und Vereine mit Wasserstechen- und Fischerstechen-Traditionen sind, die andererseits zu jährlichen Wettkampf-Turnierserien einladen und Sieger-Platzierungslisten führen. Vor allem an der französischen Mittelmeerküste werden die spektakulären Wettkämpfe auf dem Wasser durchgeführt. Stellvertretend für die vielen Orte soll hier Sète, ein kleiner Hafenort bei Montpellier, vorgestellt werden. Das wichtigste Turni er ist das Fest zu Ehren des Heiligen Ludwigs (am 25. August). Am Ufer des die Stadt durchquerenden Kanals sind Tribünen aufgebaut, Musik spielt und Tausende Zuschauer säumen die Kampfstrecke. Die Wettkämpfe erfolgen mit ungepolsterter Lanze und Schild. Seit 1666 werden sie mit großem Pomp und Aufwand begangen, 2019 fand die 277. Turniersaison statt.

Zehn Ruderer treiben das Boot voran, am Bug sitzen ein Trommler und ein Oboist. Am Heck ragt eine große, hohe Plattform für den Stecher empor. Der Stecher hält in der Rechten die Lanze, in der Linken ein Schild vor der Brust. Die gesamte Stadt fiebert bei den Wettkämpfen mit. Sogar die jüngsten Einwohner üben in einer speziell eingerichteten Turnierschule für ihre spätere Teilnahme. Der Geschichte der Fischerstechen-Turniere ist in Sète ein eigenes Museum gewidmet und die Sieger des wichtigsten Turniers werden auf einer Gedenktafel eingetragen.


Abbildung 13: Joutes de la Saint-Louis sur le Cadre Royal à Sète 2019 – Turnier des Heilige n Ludwigs auf dem königlichen Kanal in Sète 2019
Foto: © Bruno de Hogues, Paris


Abbildung 14: Joutes de la Saint-Louis sur le Cadre Royal à Sète 2005 – Turnier des Heiligen Ludwigs auf dem königlichen Kanal in Sète 2005
Foto: © Bruno de Hogues, Paris


Abbildung 15: Selbst die Jüngsten üben für die Fischerstechen in der Turnierschule von Sète.
Foto: Florian Ambrosino, Office de tourisme Intercommunal Archipel de Thau Destination Méditerranée (Tourismusbüro Sète)

Österreich

In Österreich wird der Brauch des Schifferstechens auf der Salzach bei Oberndorf nahe Salzburg gepflegt, gemeinsam mit dem auf dem gegenüberliegenden Flussufer liegenden deutschen Ort Laufen. Die Tradition des Schifferstechens dort reicht in jene Zeit zurück, als auf der Salzach das Salz aus Hallein in Richtung Passau transportiert wurde und die Schiffer mit ihren Kähnen sich gegen die Untiefen und Strömungen des Flusses behaupten mussten, um die Fracht sicher zum Bestimmungsort zu bringen.

Als Besonderheit folgt dem Stechen noch eine weitere Geschicklichkeitsprobe: das „Wurstspringen“. An einem quer über dem Fluss aufgespannten Seil sind Würste angebunden. Die Wurstspringer auf dem Kahn müssen beim Unterqueren des Seils in die Höhe springen, um an die Wurst zu gelangen. Die Versuche enden oft erfolglos und der Springer landet zur Freude der Zuschauer ohne Wurst im Wasser.


Abbildung 16: Beim Wurstspringen auf der Salzach 2015.
Foto: Prof. Mag. Josef A. Standl, Oberndorf


Abbildung 17: Schifferstechen auf der Salzach zwischen Oberndorf (Österreich) und Laufen (Bayern in Deutschland) 2014.
Foto: Albert Moser, Seekirchen

Schweiz

In der Schweiz ist das Schifferstechen von Zürich sehr bekannt. Bereits auf einer Stadtansicht von 1576 wird es dargestellt. Das große „Schifferstechen der Zürcher Zünfte“ findet seit 1979 regelmäßig im 3-Jahres-Turnus auf dem Limmat-Fluss vor der Kulisse des Zürcher Grossmünsters statt.

Für das Stechen werden Kähne nach historischem Vorbild verwendet, sie heißen „Weidlinge“. Die Stecher stehen am Bootsheck auf einem leicht erhöhten Podest. Sie müssen die Lanzen hinter dem Rücken in Stoßposition halten. Diese Lanzenhaltung ist ein spezielles Merkmal für die Schifferstechen in Zürich.


Abbildung 18: Stechen auf der Limmat vor dem Zürcher Grossmünster.
Quelle: Zürich Tourismus


Abbildung 19: Die Haltung der Lanze zum Stoß ist den Stechern genau vorgegeben.
Quelle: Zürich Tourismus

Halle an der Saale

Nachdem wir einen Überblick über den Brauch des Wasserstechens in Deutschland und bei den europäischen Nachbarn gegeben haben, wenden wir uns dem Wasserstechen der Halloren zu und richten den Blick zuerst auf die Stadt am Fluss – Halle an der Saale.

Entstehung und Entwicklung von Halle an der Saale hängen eng mit der Siedesalzgewinnung, den hier zutage getretenen Solequellen und der Lage am Fluss Saale zusammen. Im „Thal zu Halle“, dem alten Salzwerk, welches am heutigen Hallmarkt bestand, und in der Königlich-Preußischen Saline, gelegen auf einer Insel in der Saale und ursprünglich vor den Toren der Stadt errichtet, siedeten die Salzwirker die aus Brunnen geförderte Sole in Siedepfannen zu Salz.


Abbildung 20: Stadtansicht von Westen, Halle um 1740, Zeichnung von Friedr. Bernhard Werner, gestochen von G. B. Probst, Augsburg. Die Königlich Preußische Saline ist in der Bildmitte vorne zu sehen.
Quelle: Digitales Bildarchiv Hallesches Salinemuseum e.V., Original: Technisches Halloren- und Salinemuseum Halle (Saale)


Abbildung 21: Friedrich Hondorff veröffentlichte 1670 seine Beschreibung „Das Saltz-Werck zu Halle in Sachsen befindlich“. Als Salzgraf kannte Hondorff die Verhältnisse und Arbeitsprozesse in der alten Thalsaline bestens. Deshalb gehört sein Werk zu den wichtigsten Quellen der Salinengeschichte von Halle. Der Kupferstich aus dem Buch zeigt die Arbeitsprozesse der Soleförderung und der Salzsiedung im Detail.
Quelle: Digitales Bildarchiv Hallesches Salinemuseum e.V., Original: Technisches Halloren- und Salinemuseum Halle (Saale)


Abbildung 22: An der Gerbersaale steht die Moritzkirche, die älteste Pfarrkirche der Stadt Halle. Seit 1541/42 mit Einführung der Reformation ist sie auch die Stammkirche der Halloren. Dort finden noch heute die Halloren-Andachten statt zum Gedenken an die vergangenen Halloren-Generationen und ihre Familien. Das Foto von etwa 1885 zeigt den Blick auf die Moritzkirche von der Gerbersaale aus. Dieser Flussabschnitt ist heute übertunnelt und mit dem Glauchaer Platz überbaut.
Quelle: Stadtarchiv Halle

Ein Fest für die Stadt am Fluss – Halle an der Saale

Das Stadtbild von Halle (Saale) wird vom Flusslauf der Saale geprägt. Am Fluss lebten und arbeiteten früher Fischer, Händler, Schiffer, Gerber und Flößer und natürlich die Halloren. Heute ist die Flussaue grüne Lunge und Erholungsgebiet zugleich für die Hallenser und ihre Gäste.

Zur Förderung des Tourismus wurde 1912 ein Fest auf der Saale ins Leben gerufen – der Blumenkorso. Festlich geschmückte Boote und Schiffe fuhren auf der Saale auf und ab. Zahlreiches Publikum am Ufer bewunderte den Blumenschmuck und die Gestaltung der Schmuckmotive. Der Blumenkorso ging in seinem Nachfolger auf, dem Laternenfest.

Seit 1928 zieht das Laternenfest, jedes Jahr am letzten Augustwochenende, Tausende von Besuchern in seinen Bann. Es zählt zu den größten Volksfesten in Mitteldeutschland. Zu den Programmhöhepunkten des Festes gehören Bootskorso, Entenrennen, Feuerwerk, das Brückenspringen und das Wasserstechen der Halloren auf der Saale.


Abbildung 23: Das Boot des Zoologischen Gartens zum Blumenkorso 1913 spielt auf einen Bilddarstellung an, die sowohl im Hondorff-Stich als auch an der Marktkirche zu Halle (dort seitengespiegelt) zu sehen ist. Der zugehörige Spruch lautet: „Die Arbeit und den Nutz darin zu Hall besteht | Das Saltzwerck zeiget an der hier auf rosen geth“. Am Heck des Bootes steht ein Hallore.
Quelle: Reiseführer durch Halle/Saale 1914, Original: Hallesches Salinemuseum e.V.


Abbildung 24: Werbung zum Blumenkorso 1912 (Zeitungsausschnitt)
Quelle: Digitales Bildarchiv Hallesches Salinemuseum e.V.


Abbildung 25: Zu den Motivschiffen beim Blumenkorso Jahr 1913 gehörte auch das Schiff mit der Salzwirker-Brüderschaft an Bord. Neben einem Wasserstecher, einer Hallorenbraut und einem Platzknecht sind auch andere Würdenträger der Halloren wie Fähnrich, Schwerterich und der Erste und Regierende Vorsteher zu sehen.
Quelle und Original: Stadtarchiv Halle


Abbildung 26: Feuerwerk über dem Giebichenstein 2016. Das Feuerwerk gehört zu den beliebtesten Programmpunkten des Laternenfestes und wird von der Feuerwerksmusik von Georg Friedrich Händel (1685-1759), dem großen Sohn der Stadt Halle, eingerahmt.
Foto: Thomas Ziegler, Stadtfotograf Halle (Saale)


Abbildung 27: Seit Beginn des Laternenfestes 1928 fast immer dabei: das Wasserstechen der Halloren.
Foto: Thomas Ziegler, Stadtfotograf Halle (Saale)


Abbildung 28: Die Hallorenbraut präsentiert den Siegerkranz zum Wasserstechen der Halloren 2018.
Foto: Hallelife.de, M. Boide

Wer sind die Halloren? – Die Salzwirker-Brüderschaft im Thale zu Halle

„Hallore“ ist eine seit dem 17. Jahrhundert nachweisbare Bezeichnung. Abgeleitet ist sie vom Wort „Hallorum“, welches die latinisierte Form von „Hallknechte“ ist.

Die „Salzwirker-Brüderschaft im Thale zu Halle“, deren Ursprünge bis ins Mittelalter reichen, ist eine der ältesten ununterbrochen existierenden Berufsvereinigungen in Deutschland. Nur die Mitglieder der Brüderschaft dürfen sich „Halloren“ nennen. Sie stammen großenteils von alten Hallorenfamilien ab. Ihre Vorfahren betrieben das Geschäft der Salzsiederei in der alten Thalsaline und in der Königlich Preußischen Saline. Die Halloren zeigen auch heute noch die Kunst des Salzsiedens. In den Schausiedeveranstaltungen auf dem halleschen Holzplatz, wo der Pfännerschaftliche Soletiefbrunnen ist, und im Technischen Halloren- und Salinemuseum Halle (gegenwärtig – 2022 – wegen Sanierung geschlossen) beweisen sie ihr Können.

Der besondere rechtliche Status der Brüderschaft als Korporation im Sinne des Allgemeinen Preußischen Landrechts von 1794 ist von der Regierung des Landes Sachsen-Anhalt 1997 erneut bestätigt worden. Gemeinschaftlicher Zusammenhalt, gegenseitige Unterstützung in Notlagen, das Grabgeleit, fröhliches Feiern bei Pfingstbier und Sonnen, Traditionen wie Fahnenschwenken und Zappeltanz, die Neujahrsgratulation beim deutschen Bundespräsidenten und das Wasserstechen sind bis heute wichtige Elemente des Brüderschaftslebens. 2014 wurde die „Salzwirker-Brüderschaft im Thale zu Halle“ in das „Bundesweite Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes“ der Deutschen UNESCO-Kommission aufgenommen.


Abbildung 31: Festaufzug der Halloren mit Wasserstechern auf dem Marktplatz zu Halle, dargestellt im Stammbuch des Studenten Paul Serres, um 1748. Aus dieser Darstellung lässt sich ersehen, welchen Eindruck die Festumzüge der Halloren auch in früheren Zeiten bei den Betrachtern hinterlassen haben. Es ist daher nicht verwunderlich, dass die Halloren damals wie heute zu besonderen Anlässen das Stadtbild prägen.

Quelle: Stadtarchiv Halle


Abbildung 30: Hallorenfestgesellschaft mit Wasserstechern, bei einem Sonnen oder Pfingstbier um 1930. Markiert ist das Foto mit „A. Pieperhoff, Halle“.

Quelle: Digitales Bildarchiv Hallesches Salinemuseum e.V., Original: Technisches Halloren- und Salinemuseum Halle


Abbildung 32: Die Arbeit des Salzsiedens bei den Halloren, dargestellt auf dem Blatt „Der Salzwürker“ (der „Salzwirker“ ist gleich „Salzsieder“) aus: „Abbildung der Gemein-Nützlichen Haupt-Stände, so mit der Halleschen Pfännerschaft in Beziehung stehen, Nach Jedes Ambts- und Beruffs-Verrichtungen nach dem Leben gezeichnet und in Kupfer gebracht von Christoff Weigel, zu Regenspurg, Anno Domini 1698. Neu ans Licht gezogen und gedruckt zu Hall in Sachsen 1936.“ Die „Hallesche Pfännerschaft - Abteilung der Mansfeld AG für Bergbau und Hüttenbetrieb, Halle/Saale“, welches die Saline Halle betrieb, hatte jährlich an Geschäftspartner und Freunde des Unternehmens eine Geschenkgabe überreicht. 1936 wurde dieses Büchlein als Reprint verschenkt.
Quelle: Digitales Bildarchiv Hallesches Salinemuseum e.V., Original: Hallesches Salinemuseum e.V.


Abbildung 33: Das „Hallorenglas 18xx“ aus dem frühen 19. Jahrhundert war offensichtlich als Geschenkgabe der Salzwirker-Brüderschaft vorgesehen, denn die Jahreszahl ist nicht vollständig aufgemalt, wahrscheinlich, um sie zur passenden Gelegenheit ergänzen zu können. Die Hallorengläser wurden früher und werden auch gegenwärtig mit Bier gefüllt und zu festlichen Anlässen wie Pfingstbier von der Brüderschaft als Willkomm-Trunk an besonders wichtige Gäste gereicht. Dieses Glas hat als Besonderheit noch die Darstellung zweier Wasserstecher mitsamt ihrer Ausstattung mit Lanze, Brustschild und Stechpaddel zu bieten, sie halten ein Wappenschild mit den Wappenzeichen der Brüderschaft (Salzkorb, Pfannhaken, Salzschaufel) zwischen sich.

Foto: Steffen Schellhorn; Digitales Bildarchiv Hallesches Salinemuseum e.V., Original: Hallesches Salinemuseum e.V.


Abbildung 34: Darstellung eines Hallorenpaares aus einem Stammbuch des 18. Jahrhunderts neben einem Eintrag von J. G. B. Pistorius vom 1. Oktober 1777. Das Stammbuch mit dem Titel „Monumentum Honoris et Amicitialis erectum a J. N. Genzkenio Ancl. Pomer.“ (Stammbuch Jochim Carl Niklas Gentzken) wird in der Universitäts- undLlandesbibliothek Sachsen-Anhalt in Halle (Saale) aufbewahrt. Gentzken hatte in Halle studiert und sich von Freunden, Kommilitonen und Professoren Einträge in sein Stammbuch erbeten. Manche Einträge sind mit Bildern wie diesem geschmückt, die einen Eindruck davon geben, was damals in Halle zu sehen war.

Quelle: Universitäts- und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt in Halle (Saale),
Ressource: http://dx.doi.org/10.25673/33711


Abbildung 35: Halloren waren auch bei Umzügen und Festen außerhalb von Halle (Saale) zu Gast. Laut einer Lesererinnerung in der Torgauer Zeitung (13.06.2019) beteiligten sie sich am Schützenfest im Jahr 1939 in Schildau, dem Geburtsort des aus der Zeit der Napoleonischen Befreiungskriege bekannten preußischen Generals von Gneisenau.

https://www.torgauerzeitung.com/Artikel/Der%20H%C3%B6hepunkt%20im%20ganzen%20Jahr_from_rss.tz?t=newsdetailmodus(96080)

Quelle: Digitales Bildarchiv Hallesches Salinemuseum e.V., Original: Technisches Halloren- und Salinemuseum Halle


Abbildung 36: Die Salzwirker-Brüderschaft präsentiert sich zum Pfingstbier 2011 vor der Saline Halle.

Foto: Thomas Ziegler, Stadtfotograf Halle


Abbildung 37: Zappeltanz beim Pfingstbier 2007. Die Kunst besteht darin, den anderen Tänzer nur mit Beinhangeln zu Fall zu bringen. Sieger ist, wer als letzter Tänzer auf den Beinen steht.

Foto: Thomas Ziegler, Stadtfotograf Halle


Abbildung 38: Aufzug der Halloren vor der Saline Halle, an der Spitze des Zuges Hauptmann, Fähnrich und Schwerterich. (Pfingstbier 2019)

Quelle: Digitales Bildarchiv Hallesches Salinemuseum e.V.

Die Saale in den Sagen der Halloren

Die Verbundenheit der Halloren mit dem Wasser widerspiegelt sich in ihrem Sagenschatz. Für sie ist die Saale mit Wassergeistern belebt, die es zu respektieren galt. Eine Sage erzählt, woher die Halloren ihre außerordentliche und berühmte Schwimmkunst erlernten: Der Saalevater, auch Saalnix genannt, schickte alle 100 Jahre ein Nixenkind auf die Erde, damit es mit den Menschen lebe. Die Hallorenfamilien nahmen diese Kinder an Kindes statt an und zogen sie auf. Daher rührt ihr freundschaftliches Verhältnis zu Saalnix und den Saalenixen und wurden die Halloren ausgezeichnete Schwimmer.


Abbildung 39: Die Steinplastik des sagenhaften „Saalnix “ war an der Hohen Brücke über der Saale angebracht.

Foto: Steffen Kohlert, Original: Kunstmuseum Moritzburg Halle (Saale) - Kulturstiftung des Landes Sachsen-Anhalt

Wie der Saalnix zu Stein wurde

An den Saalnix oder Saalaffen erinnert eine steinerne Plastik, die in Halle aufbewahrt wird. Ursprünglich war der Stein an der Hohen Brücke über der Saale angebracht. Der Sage nach wollte der Wassergeist den Bau der Brücke verhindern und zerstörte am Abend den während des Tages erreichten Baufortschritt. Eines Tages wurde der Wassergeist überlistet – man bannte ihn mit einer Reliquie, sodass er vor Wut versteinerte und danach in einen Brückenpfeiler eingemauert wurde.

Von Nelkenkronen und den Silberknöpfen

Zur Herkunft der Nelkenkrone bei den Hallorenbräuten und den Silberknöpfen am Latz der Halloren wird in den Hallorensagen erzählt: Vor langer Zeit lebten auf dem Grund der Saale Nixen. Sie führten ein glückliches, ungestörtes und ewig junges Leben, ehe sich Menschen am Ufer des Flusses ansiedelten. Mit den Halloren fanden sie bald in ein gutes Verhältnis, denn die Halloren verehrten sie still und respektierten sie, im Gegensatz zu den anderen Menschen.

Die Halloren wussten, wem sie den reichlichen Fischfang in der Saale und die sprudelnden Solequellen zu verdanken hatten. Die Nixen beschützten die Kinder der Halloren vor dem Ertrinken in der Saale und lehrten ihnen das Schwimmen. Und manchmal, bei besonders armen Kindern, nahmen die Nixen eine heimliche Patenschaft über das Kind an. Wenn es ein neugeborenes Mädchen war, erhielt es des Nachts eine Nelkenkrone aufgesetzt, die nicht verwelkte und nach drei Tagen zu Gold wurde. War es ein neugeborener Knabe, hängten die Nixen ihm eine Kette von 18 Mohnköpfen um den Hals, die sich in eine Reihe von 18 Silberknöpfen verwandelte.


Abbildung 40: Eines der ältesten erhaltenen Fotografien von etwa 1900 mit „Oma Lieschen und Franz Moritz“ zeigt der Schmuck der Halloren, die Nelkenkrone der Hallorenbraut und die 18 Silberknöpfe an der Weste des Halloren Franz Moritz.

Quelle: Digitales Bildarchiv Hallesches Salinemuseum e.V., Original: Technisches Halloren- und Salinemuseum Halle (Saale) [Sammlung Kupper]


Abbildung 41: Jeder Hallore trägt zum Festkleid genau 18 Silberknöpfe an der Weste. Jeder dieser Knöpfe steht symbolisch für ein Amt oder einen Titel in der Hierarchie der Salzwirker-Brüderschaft. Die Knöpfe werden als kostbare Erbstücke innerhalb der Hallorenfamilien weitergegeben.
Foto: Karin Böhme, Digitales Bildarchiv Hallesches Salinemuseum e.V.


Abbildung 42: Die kunstvoll gearbeitete Nelkenkrone darf nur von Hallorenbräuten getragen werden.
Foto: Karin Böhme, Digitales Bildarchiv Hallesches Salinemuseum e.V.

Die Halloren und das Wasser

Aufgrund ihrer Arbeit standen die Halloren immer in Verbindung mit dem Wasser der Saale und mit der Sole (Salzwasser) zum Versieden. Der sichere Umgang mit den nassen Elementen war überlebensnotwendig. Zu den Aufgaben der Halloren gehörte auch die Reinhaltung der Thalsaline, indem die Gassen mit Wasser durchspült wurden. Im Dienst der Allgemeinheit waren sie auch zugleich zur Hilfe in Feuersgefahr verpflichtet. Die Halloren mussten berufsbedingt Schwimmen und Tauchen können. Das verhalf ihnen zum Ruf als „Schwimmmeister Deutschlands“.


Abbildung 43: Im Kupferstich „Aussicht eines Theils der Koeniglichen Salz Kothen bey Halle“ von Gottfried August Liebe (von 1781) sind Menschen im Wasser der Saale zu sehen. Ein Teil von ihnen wäscht gerade Salzkörbe aus.

Quelle und Original: Universitäts- und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt in Halle (Saale)-- (Sign. Va 170 H 10a)

Die Schwimmmeister Deutschlands

Der Ruf der Halloren als Schwimmmeister Deutschlands ist legendär. Bereits 1725 wurden Halloren als Taucher zur Bernsteinsuche ins preußische Königsberg beordert und 1757 als Schwimmlehrer zum preußischen Militär. Viele unvorsichtig in der Saale badende und unglücklich ins Wasser gefallene Menschen verdankten ihnen ihr Leben. Studenten der hallischen Universität, die unter Aufsicht von Halloren in der Saale badeten und bei ihnen das Schwimmen lernten, verbreiteten den Ruf an ihren späteren Wirkungsstätten und in ihren Schriften. Dazu gehörten auch der Pädagoge Joh. Christoph Friedrich GuthsMuts und „Turnvater“ Friedrich Ludwig Jahn.

Von Joh. Wolfgang v. Goethe ist ein Zitat überliefert, welches den Ruf der Halloren als Rettungsschwimmer unterstreicht. In einem Gespräch mit Friedr. Wilhelm Riemer 1810 betont er, dass niemand sich selbst gegenüber höhergestellten Menschen geringschätzen sollte. Denn die Halloren machten bei ihren Rettungseinsätzen auch keinen Unterschied zwischen der Stellung der Menschen zueinander. „Daher keiner Ursache hat, sich gegen den größten gering zu achten. Denn wenn der größte ins Wasser fällt und nicht schwimmen kann, so zieht ihn der ärmste Hallore heraus.“
(Zitiert nach: Goethes Gespräche. Herausgegeben von Woldemar Freiherr von Biedermann, Band 2, Leipzig 1889–1896. http://www.zeno.org/Literatur/M/Goethe,+Johann+Wolfgang/Gespr%C3%A4che/%5BZu+den+Gespr%C3%A4chen%5D/1810 )


Von der Ostsee bis zur Schweiz, vom Rhein bis nach Schlesien wurden Halloren als Schwimmmeister berufen. In Halle waren lange Zeit nur Halloren als Schwimmmeister oder als Betreiber einer eigenen Badeanstalt tätig. Sie wurden „Badehalloren“ genannt.

Das Brückenspringen in die Saale war eine bereits im 18. Jahrhundert bewunderte Attraktion der Halloren. Die Sportart Wasserspringen verdankt ihre Anfänge den „Tichy‘schen Fröschen“ in Berlin. Tichy war ein aus Halle nach Berlin gerufener Hallore, der ab 1811 als Schwimmlehrer für eine Badeanstalt arbeitete. Gemeinsam mit dem Halloren Lutze gründete er 1840 einen Verein für Sprungbegeisterte, der bis 1845 bestand. Damals bereits wurden Grundfiguren für das Turm- und Kunstspringen erprobt und notiert. 2016 wurde das Brückenspringen der Halloren beim Laternenfest in Halle wiederbelebt.


Abbildung 44: Strandfest 1921 mit Badehalloren
Quelle: Digitales Bildarchiv Hallesches Salinemuseum e.V., Original: Technisches Halloren- und Salinemuseum Halle (Saale)


Abbildung 45: Tollkühne Springer und Springerinnen stürzen sich beim Wasserspringen von der Giebichensteinbrücke in die Saale. (2019)
Foto: Thomas Ziegler, Stadtfotograf Halle (Saale)


Abbildung 46: Nach jahrzehntelanger Flussverschmutzung ist das Baden in der Saale wieder möglich. Schwimmveranstaltungen wie beim Laternenfest finden rege Beteiligung. (2016)
Foto: Thomas Ziegler, Stadtfotograf Halle (Saale)

Die Halloren als Fischer

Der mündlichen Überlieferung nach hätten die Halloren den Brauch des Wasser- oder Fischerstechens von den Fischern an der Saale übernommen.

Das ist jedoch aus schriftlichen Quellen nicht belegt. Bekannt ist aber, dass die Halloren und die Fischer von Kröllwitz, Giebichenstein, Böllberg und den anderen Dörfern an der Saale bei Halle sich das Fischfangrevier des Flusses teilen mussten.

Es gab langwierige Rechtsstreitigkeiten um Fischfanggründe und erlaubte Fischereigeräte. Erst ein Erlass des Amtsmanns vom Giebichenstein 1660 und das königliche Privileg von 1716 sicherten den Halloren das Recht des Fischfangs als Nebenerwerb dauerhaft zu.

Das Fischen war für die Halloren überlebenswichtig, denn wenn die Arbeit im Salzwerk ruhte, wurden sie nicht entlohnt.

Trotz aller Streitereien gab es aber auch gegenseitigen Beistand zwischen den Fischern von Kröllwitz und den Halloren. Als 1799 ein großes „Halloren-Stechen“ anlässlich des Besuches von König Friedrich Wilhelm III. von Preußen und Königin Luise vor der Kulisse des Giebichensteins stattfinden sollte, halfen die Fischer den Halloren mit ihren Booten aus.


Abbildung 47: Darstellung eines Fischers bei den Halloren. Aus: Künstlers Ruhestunden. Eine gemeinnützige Zeitschrift für Künste und Wissenschaften. Herausgegeben von K. W. Schimming. Beschreibung der Dampfmaschine, welche im Jahre 1831 an einem Soolbrunnen zu Halle errichtet worden. Halle 1832

Quelle: Digitales Bildarchiv Hallesches Salinemuseum e.V., Original: Hallesches Salinemuseum e.V.


Abbildung 48: Mit solchen Netzenadeln flickten die Halloren ihre Netze.

Foto: Sebastian Bergner, Digitales Bildarchiv Hallesches Salinemuseum e.V., Original: Technisches Halloren- und Salinemuseum Halle (Saale)

Das „Halloren-Stechen“

In Schriften des 18. und 19. Jahrhunderts wird das Wasserstechen der Halloren als „Halloren-Stechen“ gerühmt und als unterhaltsames Erlebnis und besonderes Merkmal für Halle an der Saale geschildert. Das Wasserstechen führten die Halloren nur zu besonderen Anlässen auf, zum Beispiel beim Besuch hoher Gäste in Halle. Als Teil höfisch-barocker Festkultur unterscheidet sich das Halloren-Stechen von anderen Wasserstechen-Traditionen. Die früheste bekannte Nennung eines Stechens der „Hallburschen“ datiert auf das Jahr 1676 anlässlich einer Hochzeit am Hofe des Administrators August von Sachsen. Die Huldigungen an den brandenburgischen Kurfürsten 1681 und 1689 als neuen Landesherrn über Halle wurden mit einem Festumzug und Wasserstechen der Halloren begangen. Auch anderenorts zeigten die Halloren auf Einladung ihr Wasserstechen, ihre Schwimmkünste und ihr Wasserspringen vor ausgewähltem Publikum, in Berlin 1728 vor dem preußischen König Friedrich Wilhelm I. und seinem Staatsgast August dem Starken, Kurfürst von Sachsen und König von Polen, am herzoglichen Hof in Weißenfels 1698 und 1715 in Merseburg. In Berichten aus jener Zeit wird die Präsentation der Wasserkünste und des Wasserstechens auch als „Bad der Halloren“ bezeichnet. Ein Bild aus einem studentischen Stammbuch um 1748 zeigt dieses Treiben vor der Neuen Residenz zu Halle.


Abbildung 50: Lithographie „Vogelsteller, Braut, Hallore im Festschmuck, Wasserstecher oder Fischer, Salzträger“ aus: Die Gartenlaube 1856, Heft 3, Land und Leute. Die Halloren. Die Zeitschrift „Die Gartenlaube“ stellte die Halloren als Beispiel für Traditionsbewusstsein und Brauchtumspflege vor.

Quelle: Digitales Bildarchiv Hallesches Salinemuseum e.V., Original: Steffen Kohlert


Abbildung 51: Aus dem Stammbuch (Freundschaftsbuch) des Studenten Paul Serres: Wasserstechen der Halloren an der Neuen Residenz zu Halle, um 1748. Einige Halloren schwimmen auch in der Saale umher und springen von der Brücke herunter.

Quelle und Original: Stadtarchiv Halle

Ein fürstlicher Silberbecher für das Wasserstechen

Eines der „Halloren-Stechen“ ist in der Geschichte der Salzwirker-Brüderschaft mit einem prächtigen Erinnerungsstück im Silberschatz der Halloren besonders verewigt. Aus dem Jahre 1728 stammt ein kunstvoll gearbeiteter Silberbecher des hallischen Goldschmiedes Hermann Andreas Schulze. Der eingravierte Widmungsspruch nennt den Anlass der Becherstiftung: Friedrich Wilhelm I. empfing August den Starken samt Hofstaat zum großen Staatsbesuch in Berlin im Juni 1728. Die Halloren waren mit einer „Wasserlust“ Teil des Festprogramms für den hohen Gast. Auf Befehl des preußischen Königs war eine Hallorengruppe nach Berlin gereist, um dort auf der Spree ein großes Wasserstechen und andere Künste wie Schwimmen und Springen ins Wasser von einem 12 Meter hohen Podest vorzuführen. Die Landesherren dankten für das große Vergnügen mit einer reichen Geldgabe von mehr als 100 Talern. Von diesem Geldgeschenk ließ die Brüderschaft diesen Becher zur Erinnerung an das große Ereignis anfertigen.


Abbildung 52: Der Silberbecher von 1728.

Foto: Klaus E. Göltz, Original: Salzwirker-Brüderschaft im Thale zu Halle

 


Abbildung 53: Detailansicht des Bechers von 1728: Links dargestellt August der Starke (König von Polen und Kurfürst von Sachsen) mit Perücke, Prunkharnisch und Königshut, rechts König Friedrich Wilhelm I. in Preußen.

Foto (Abwicklung): Karin Böhme, Digitales Bildarchiv Hallesches Salinemuseum e.V.

Wasserstechen der Halloren beim Laternenfest

Die Halloren haben vor fast 100 Jahren einen neuen Anlass gefunden, ihr Wasserstechen aufzuführen – das Laternenfest an der Saale in Halle. Seit 1928 ist das Wasserstechen der Halloren ein fester Programmpunkt beim jährlichen Laternenfest an der Saale. In Vorbereitung auf den Wettkampf müssen die Boote, Lanzen und Brustschilde überprüft und aufbereitet werden. Die Lanze ist vorn mit einem Lederpolster zur Vermeidung von Verletzungen abgeflacht, hinten ist eine Querstange angebracht, damit der Stecher die Lanze besser halten kann. Das Brustschild dient dem Lanzenstecher als Schutz vor harten Stößen und ist zugleich „Zielscheibe“ für den gegnerischen Stecher. Diese Brustschilde sind nur bei den Halloren in Gebrauch. Zum Einsatz kommen kleine Ruderkähne, die die Namen bekannter Hallorenfamilien tragen. Zwei Ruderer und ein Lanzenstecher bilden dabei eine Mannschaft. Vor dem Wettkampftag werden auf dem Wasser Fahrmanöver geübt.


Abbildung 54: Aus dem Leporellodruck „Die Halloren in ihrer alten Tracht“ von Alfred Kirchhoff (und Paul Schwarz) um 1888 ist das Aussehen der Halloren zu jener Zeit überliefert, darunter auch vom „Fischerstecher“.

Quelle: Digitales Bildarchiv Hallesches Salinemuseum e.V., Original: Technisches Halloren- und Salinemuseum Halle (Saale)


Abbildung 55 / 56: Zwei historische Brustschilder aus dem Bestand der Salzwirker-Brüderschaft. Zur Ausstattung eines Halloren-Wasserstechers gehört ein Brustschild. Es soll einerseits den Stecher beim Wettkampf schützen und als Zielmarke dienen, andererseits war es Schmuckstück bei den Festumzügen der Halloren.

Fotos: Steffen Kohlert, Quelle: Digitales Bildarchiv Hallesches Salinemuseum e.V., Originale: Salzwirker-Brüderschaft im Thale zu Halle


Abbildung 57 / 58: 1954 wurde der 430. Jahrestag der namentlichen Erstnennung der Salzwirker-Brüderschaft feierlich begangen. Dafür wurde eigens ein Wasserstechen der Halloren vor der Gaststätte „Krug zum grünen Kranze“ abgehalten, für das auch einige Übungseinheiten zuvor absolviert wurden.

Fotos: Walter Danz, Halle (Saale), Quelle: Digitales Bildarchiv Hallesches Salinemuseum e.V., Originalabzug: Technisches Halloren- und Salinemuseum Halle (Saale)


Abbildung 59: Die Kähne werden für das Wasserstechen 2022 vorbereitet.
Foto: Daniel Kroon


Abbildung 60: Die Lanzen werden für das Wasserstechen 2022 vorbereitet.
Foto: Daniel Kroon


Abbildung 61: An der Aufarbeitung und Vorbereitung der Wasserstecherboote beteiligen sich alle Halloren.
Foto: Steffen Kohlert

Zum Ablauf des Spektakels

Das Stechen der Halloren erfolgt nach festen Regeln. Das Spektakel findet immer am Samstagnachmittag des Laternenfestes statt. Dabei wird über mehrere Runden ein Sieger ermittelt, der bei keinem seiner Duelle ins Wasser gefallen ist. Vor Wettkampfbeginn werden zwei Parteien mit je 2 Lanzenstechern aufgestellt, die Halloren auf der einen Seite, die Vertreter der Wasserrettung Halle als indirekte Nachfolger der Fischer von Kröllwitz auf der anderen Seite.

Der Lanzenstecher, bei den Halloren nur mit einer kurzen Hose und einem weißen Siederhemd bekleidet, steht auf dem Heck des Kahns und hält die Lanze über die Köpfe seiner Ruderer hinweg auf den Gegner gerichtet. Die Ruderer sitzen vor ihm und müssen das Boot auf Tempo bringen und dabei so geschickt steuern, dass der Lanzenstecher gut zustoßen kann. Beide Parteien fahren mit je einem Kahn aufeinander zu. Wer bei dem Stoß zuerst ins Wasser fällt, scheidet aus dem Stechen aus. Am Ende des Wettkampfs erfolgt die Siegerehrung. Der Sieger erhält als Preis einen Blumenkranz auf den Kopf und den Kuss der Hallorenbraut.


Abbildung 61: Vor Beginn des Wettkampfs eröffnet der Erste und Regierende Vorsteher der Salzwirker-Brüderschaft gemeinsam mit der Hallorenbraut das Wasserstechen der Halloren.
Foto: Hallelife.de, Sabine Majetic, 2018


Abbildung 62: Duell der Wasserstecher 2016
Foto: Thomas Ziegler, Stadtfotograf Halle (Saale)


Abbildung 63: Wasserstechen der Halloren 2018.
Foto: Hallelife.de, M. Boide


Abbildung 64: Wasserstechen der Halloren 2018.
Foto: Hallelife.de, M. Boide


Abbildung 65: Die Siegerehrung beim Wasserstechen 2019.
Foto: Hallelife.de, Sabine Majetic


Abbildung 66: Zum Abschluss des Wasserstechen-Wettkampfs beim Laternenfest 2019 präsentieren sich alle Beteiligten, Stecher wie Ruderer, gemeinsam mit dem Ersten und Regierenden Vorsteher der Salzwirker-Brüderschaft im Thale zu Halle, Tobias Heinicke, dem Publikum.
Foto: Hallelife.de, M. Boide, Sabine Majetic

Eine Halloren-Überlieferung - Das Fischerstechen von Robert Moritz

Robert Moritz (1873-1963) stammte aus einer Hallorenfamilie, ist aber aus beruflichen Gründen aus Halle (Saale) fortgezogen und hat als Graphiker, Maler und Lithograph gearbeitet. Dabei hat er das Erbe seiner Vorfahren zu bewahren versucht und die Erzählungen seines Großvaters gesammelt und zunächst in seinen „Hallorengeschichten“ veröffentlicht. 1927 gab er im Selbstverlag sein rundum selbst verfasstes und gestaltetes Werk „Hallorum Hallensis“ in Karlsruhe, seinem damaligen Wohnort, heraus.

In dem Buch erzählt er:

Das Fischerstechen

Sieht man einem Stemmen oder Ringen der Athleten zu, oder einem Fußballspiel oder Boxerkampf, so werden diese Darbietungen spielender Kräfte trotz aller ihrer Reize niemals ein solches herrliches Schauspiel bieten, wie das harmlose, Kraft, Gelenkigkeit wie Geistesgegenwart in hohem Maße erfordernde Fischerstechen. Wenn dort auf dem Wasser so flink die Boote dahingleiten, in denen mit ‹Hipp und Halloh› die Kämpfer sich richten, ist dem Zuschauer das Gefühl der Erdenschwere schon genommen, erhebend und erheiternd wirkt das. Hochaufgerichtet steht auf dem Rücksitz des Kahnes der zum lustigen Wasserturnier bekränzte Bursche, kampfbereit hält er die Turnierstange in der Rechten, rotweiss gestreift ist sie. Jetzt hebt er die Querlatte gegen seine Brust, drückt sie fest gegen das Turnierschild, das im Wappen die Pfannenhaken trägt, und sucht seinem Gegner geschickt zu begegnen. Der im andern Kahne kommt ihm aber durch eine schlau gesteuerte Wendung seines Botes zuvor; ja, der Ruderer vorn, vor dem Kämpfer, hat bei Angriff und Abwehr großen Anteil. Und dem Kämpfer gelingt es, das Ende seiner Turnierstange, das in einer Holzscheibe mündet, dem Gegner auf die Brust zu setzen. Man hört einen leichten Schlag und der Getroffene stürzt über Bord. Aber der war doch bedacht, dass sein Unterliegen kein unwürdiges „ins Wasser-Purzeln“ vorstelle. Nein, rücklings mit vollem Schwung saust er ins Nass und es bedeutet für ihn nichts weiter als ein unfreiwilliges Flussbad, denn der rüstige Schwimmer ist bald wieder an seiner Stelle im Bot, um die Scharte auszuwetzen. Das Treiben am Wasser machte die Halloren von klein auf zu tüchtigen Schwimmern und Tauchern. Und wenn die Alten wiederkämen, die nördlich bis Hamburg hinauf und südlich bis in die Schweiz hinein als Schwimmlehrer begehrt waren (wie August Moritz, der ›Jenaer‹ und sein Bruder Karl, der ›Schweizer‹) würden sie die Köpfe schütteln und angesichts des Fußballspieles sagen: „das ist was für Wasserscheue, nichts für uns!“

Wird das Fischerstechen künftig wieder auf der Saale dort beim Giebichenstein lebendig werden? Es war ein Schauspiel, das die Halloren hohen Besuchern der Stadt einst oft geboten haben in fesselnder Weise. So mögen es nun die Hallenser tun. „Wohlan, tretet an zum lustigen Turniere!“

(Abschrift im Wortlaut mit originaler Rechtschreibung von R. Moritz.)


Abbildung 67: Eine Seite aus „Hallorum Hallensis“ von Robert Moritz. Der Begriff „Fischerstechen“ ist bei den Halloren genauso geläufig wie „Wasserstechen“.

Foto: Sebastian Bergner, Quelle: Digitales Fotoarchiv Hallesches Salinemuseum e.V., Original: Technisches Halloren- und Salinemuseum Halle (Saale)


Abbildung 68: Die Bildunterschrift lautet: „Nante! – grieß de Jiewichenschteener Nixen rächt scheene und och‘n Nixerich, heerschte?“ – „Läcke Fett, du Jroßrachen, - na warte, dir schtreich ich‘s nachhär ahn!“

Robert Moritz: Hallorum Hallensis. Karlsruhe im Selbstverlag 1927.

Foto: Sebastian Bergner, Quelle: Digitales Fotoarchiv Hallesches Salinemuseum e.V., Original: Technisches Halloren- und Salinemuseum Halle (Saale)

Impressum und Danksagung

Kurator: Christian Schwela
Konzept: Steffen Kohlert
Film: Jakob Sell
Gestaltung und Realisation digitale Ausstellung: LIXX Consult & Ventures GmbH

Die Ausstellung wird unterstützt und gefördert von der Stadt Halle (Saale).

Wir haben uns nach besten Wissen und Vermögen bemüht, für alle Abbildungen in der Ausstellung die Rechte zu klären und die Quellen korrekt anzugeben. Sollten Ihnen Unstimmigkeiten auffallen, bitten wir um E-Mail-Nachricht an: halloren@salinemuseum.de 


Folgenden Institutionen und Personen ist für die Genehmigung
zur Verwendung von Quellen und Bildern zu danken:

Salzwirker-Brüderschaft im Thale zu Halle; Stadtarchiv Halle;
Universitäts- und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt in Halle (Saale);
Nadja Wollinsky / Stadtarchiv Ulm; Sonja Seufferth / Stadt Bamberg;
Michael Debets, Worms; Michael Hagl, Nürnberg;
Prof. Mag. Josef A. Standl, Oberndorf; Zürich Tourismus;
Office de tourisme Intercommunal Archipel de Thau Destination
Méditerranée; Bruno de HOGUES, Paris; Thomas Ziegler,
Stadtfotograf Halle (Saale); Hallelife.de / M. Boide, Sabine
Majetic, Halle (Saale)